Ist OpenAI zu groß um zu scheitern?
ChatGPT KI und die Gesellschaft Nov 5, 2025 1:54:59 PM Jörg Janßen 6 min read
OpenAI hat es wieder getan – ein weiterer Mega-Deal.
Nach Partnerschaften mit Microsoft, NVIDIA, AMD und Oracle folgt nun Amazon.
Der neue Vertrag sieht vor, dass OpenAI die Cloud-Infrastruktur von Amazon Web Services (AWS) nutzt, um seine Modelle und Agenten künftig zu betreiben und zu trainieren.
Das Volumen: 38 Milliarden US-Dollar.
Ein Vertrag, der zeigt, wie sehr sich die KI-Branche um eines dreht – Rechenleistung.
Die Bedeutung des Deals
Für OpenAI bedeutet die Zusammenarbeit vor allem eines: Sicherung von Kapazitäten.
KI-Modelle der neuesten Generation verschlingen enorme Mengen an Rechenleistung und Strom. Je größer das Modell, desto höher die Kosten.
Mit diesem Schritt verteilt OpenAI seine Workloads künftig nicht nur auf Microsofts Azure-Infrastruktur, sondern eben auch auf AWS – also die größte Cloud der Welt.
Damit verfolgt Sam Altman eine klare Strategie: Er will nicht von einem einzigen Anbieter abhängig sein. OpenAI kauft Rechenleistung dort ein, wo sie verfügbar ist – und wo sie zu den besten Konditionen geliefert wird.
Amazon wiederum nutzt die Partnerschaft, um seine Marktposition im Cloud-Geschäft zu festigen. Während Google mit Anthropic kooperiert und Microsoft als Hauptinvestor von OpenAI gilt, will AWS zeigen: Ohne Amazon läuft kein globales KI-Training.
Warum die Summen so hoch sind
Viele Beobachter fragen sich: Wie kann ein Unternehmen, das bislang rund 13 Milliarden Dollar Jahresumsatz macht, Verpflichtungen in einer Größenordnung von über 1,4 Billionen Dollar eingehen?
Die Antwort liegt in OpenAIs Selbstverständnis.
Das Unternehmen sieht sich längst nicht mehr nur als Softwareanbieter, sondern als zukünftige Plattform für Künstliche Intelligenz – ähnlich wie Microsoft einst das Betriebssystem für den PC-Markt lieferte.
Sam Altman geht davon aus, dass sich drei Umsatzquellen stark entwickeln werden:
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ChatGPT als Produktfamilie
– also die bezahlten Pro-Abos, Unternehmenslizenzen und die Integration von GPTs in Arbeitsumgebungen.
– Allein diese Sparte wächst monatlich im zweistelligen Prozentbereich. -
API-Nutzung durch Unternehmen
– Firmen binden die Modelle direkt in ihre Prozesse ein, was stabile, wiederkehrende Umsätze erzeugt. -
Neue Geschäftsbereiche
– Dazu zählen Hardware-Pläne („AI-Device“), Forschungs-Automatisierung („AI for Science“) und eine eigene AI-Cloud, mit der OpenAI selbst Rechenleistung verkauft.
Altman argumentiert also nicht mit kurzfristigen Einnahmen, sondern mit einer langfristigen Wette auf ein Ökosystem, das sich exponentiell vergrößern wird – ähnlich wie das Internet zwischen 1995 und 2005.
„Zu groß zum Scheitern“ – was steckt hinter dem Begriff?
Der Ausdruck stammt aus der Finanzkrise von 2008.
Damals mussten Banken gerettet werden, weil ihr Zusammenbruch eine Kettenreaktion ausgelöst hätte. „Too big to fail“ bedeutete nicht, dass sie einfach groß waren, sondern dass ihre Vernetzung so eng war, dass ein Ausfall andere mitgerissen hätte.
Übertragen auf OpenAI ist die Lage ähnlich, aber nicht identisch.
Das Unternehmen ist stark vernetzt, aber nicht systemrelevant im klassischen Sinne.
Wenn OpenAI morgen Probleme bekäme, würde das nicht das Weltfinanzsystem ins Wanken bringen – aber es würde enorme Auswirkungen auf die digitale Wirtschaft haben:
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Microsoft wäre betroffen, weil Copilot und Office 365 darauf aufbauen.
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NVIDIA würde einen großen Abnehmer für seine Chips verlieren.
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Oracle, Amazon, AMD und Intel würden ebenfalls Umsatzeinbußen spüren.
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Tausende Unternehmen weltweit müssten kurzfristig Alternativen finden.
Man kann also sagen: OpenAI ist nicht „too big to fail“, aber „too connected to ignore“.
Wie real ist das Risiko?
Weniger, als viele befürchten.
Sollte OpenAI je in Schieflage geraten, wäre das kein plötzlicher Crash wie bei einer Bank.
Wahrscheinlicher wäre eine schrittweise Umstrukturierung oder Übernahme – wahrscheinlich durch Microsoft, das ohnehin tief eingebunden ist.
Trotz der gigantischen Summen sind die Grundlagen solide:
Die Nachfrage nach KI-Diensten steigt weiter, und der Markt für Sprach-, Bild- und Datenmodelle ist noch lange nicht gesättigt.
Viele Analysten sehen keine klassische Blase, sondern eine Investitionsphase – ähnlich wie beim Aufbau des Stromnetzes oder des Internets. Die Summen wirken hoch, weil die zugrunde liegende Infrastruktur gewaltig ist.
Was Unternehmer:innen daraus lernen können
Diese Entwicklung zeigt deutlich, wohin sich der Markt bewegt:
Rechenleistung ist das neue Öl – und der Zugang dazu entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit.
Für dich als Unternehmer:in oder Selbstständige bedeutet das:
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Abhängigkeiten erkennen: Nutze nicht nur ein einziges KI-Tool oder Modell. Sorge für Alternativen (z. B. OpenAI + Anthropic + Mistral).
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Daten portabel halten: Alles, was du mit KI erstellst, sollte exportierbar und weiterverwendbar sein.
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Echte Use Cases identifizieren: Starte mit Aufgaben, die messbar Zeit sparen oder Qualität verbessern.
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Kosten im Blick behalten: KI-Leistung kostet – und Rechenzeit wird nicht billiger. Kalkuliere, wie viel Automatisierung wirklich wirtschaftlich ist.
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Wissen aufbauen: Verstehe, wie Modelle arbeiten, wie sie trainiert werden und welche Grenzen sie haben. Nur so bleibst du handlungsfähig.
Fazit
Der Amazon-Deal zeigt, wie sich die Machtverhältnisse in der KI-Welt verschieben.
OpenAI sichert sich langfristige Ressourcen, Amazon stärkt sein Cloud-Geschäft – und beide wissen: Ohne gigantische Rechenkapazitäten gibt es keine nächste KI-Generation.
„Zu groß zum Scheitern“? Wahrscheinlich nicht.
Aber: Zu stark vernetzt, um ignoriert zu werden.
Und genau das macht die kommenden Jahre so spannend – nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich.